Medienberichte des 11. Juli 2022 legten dar, wie der US-amerikanische Konzern Uber im Jahr 2014 versuchte, mit aller Macht auf den deutschen und europäischen Markt zu drängen. Dazu berichtet ein Rechercheteam, bestehend aus Journalist*innen der Süddeutschen Zeitung, dem NDR und dem WDR, dass auch Prof. Dr. Justus Haucap und Mitarbeiter*innen der Institutsausgründung „DICE Consult GmbH“ in politisches Lobbying zugunsten des Konzerns verwickelt waren.
Die Autor*innen beschreiben, wie Prof. Haucap von Uber nach einem gemeinsamen Gespräch dazu beauftragt wurde, zusammen mit der Tochtergesellschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung „DIW Econ GmbH“ über die DICE Consult GmbH eine Studie mit dem Titel „Vorteile für Verbraucher aus einer Liberalisierung
des Taxi-Marktes in Deutschland“ zu erstellen. Die Studie wurde in Folge für ca. 44.000 € angefertigt und Prof. Haucap ließ sich außerdem darauf ein, für weitere 4.000 € einen Meinungsbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu veröffentlichen, der sich im Sinne von Uber zu der Thematik positioniert.
Dem kam die DICE Consult GmbH und damit Prof. Haucap wohl auch auftragsgemäß nach und lieferte Belege, warum eine Liberalisierung des Taximarktes zu Wohlfahrtsgewinnen führen würde, welche weiteren Vorteile die Zulassung von Uber auf dem europäischen Markt zur Folge habe und wie sich Regulierungen zugunsten dieser erwarteten Vorteile ändern ließe. All dies wäre kein ungewöhnlicher Vorgang, wenn nicht einige Details negativ auffallen würden:
Die Medienberichte erwecken an der Wissenschaftlichkeit der Studie schwere Zweifel, Standards wurden wohl teilweise missachtet. Das dementiert die Geschäftsführerin der DICE Consulting GmbH Dr. Susanne Thorwarth jedoch ausdrücklich. Außerdem hat es den geleakten Daten nach, eine zu große Einmischung Ubers in die Studie gegeben, soweit gehend, dass Uber selbst auf Anfrage der Jounalist*innen nicht von einer wissenschaftlichen Studie, sondern von einem als solchen gekennzeichneten „Beratungsbericht“ gesprochen hat.
Denn, so wird in allen Berichten dargelegt, ist die DICE Consult GmbH, obwohl sie fast Namensgleich mit dem entsprechenden Institut für Competitive Economics an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ist, ein sehr ähnliches Logo benutzt und nicht unerheblich viele Mitarbeiter*innen des Instituts beschäftigt, weder ein Institut, noch ein An-Institut der HHU. Im Gegenteil: es handele es sich um eine rechtlich und organisatorisch von der HHU getrennte, privatrechtliche Organisation. Es wird hier jedoch der Anschein erweckt, dass das DICE und die DICE Consulting GmbH dasselbe Institut sind – auch so kann Wissenschaftlichkeit vorgetäuscht werden.
Auch wenn die Universität vielleicht glaubt, dass es gute Gründe dafür gibt, dass eine enge Verbindung von Wissenschaftlicher Forschung und Wirtschaft existieren soll, stehen wir als Jusos und Linke Liste dieser Praxis kritisch gegenüber. Wissenschaft und akademischer Lehrbetrieb sollte staatlich gefördert und möglichst frei von unternehmerischen Interessen Erkenntnisse zugunsten der Allgemeinheit liefern. Der allgemeine Zwang zur Einwerbung von Drittmitteln und eine chronische Unterfinanzierung aus staatlicher Hand machen es jedoch häufig notwendig, dass sich verbeamtete Professor*innen und von den Universitäten beschäftigte Mitarbeiter*innen des akademischen Mittelbaus für kommerzielle Forschung und Partnerschaften einsetzen lassen.
Die Juso Hochschulgruppe ergänzt: Dies muss jedoch aus unserer Sicht dann der Universität zugute kommen und weniger den ohnehin schon verbeamteten Professor*innen. Forschung, die es schafft, dass sie konkreten wirtschaftlichen Fragestellungen Antworten liefert ist somit in Ordnung, wenn die Finanzierung dieser Forschung am Ende der gesamten Universität oder wenigstens dem Institut nützt, nicht aber einer nach unternehmerischen Maßgabe und nur ihren Gesellschafter*innen nutzenden GmbH. Die DICE Consult GmbH verzeichnete 2014 einen Gewinn von 56.208 €. Ca. 48.000 € davon gehen unmittelbar aus der Studie und dem Artikel für Uber hervor. In den darauf folgenden Jahren kam die GmbH gemäß Abschlussberichten auf Gewinne von z.T. über hunderttausend Euro jährlich. Im Jahr 2020 kommt die GmbH damit auf ein Aktiva-Volumen von 729.368 €. Keine kleinen Summen also. Vor allem dann, wenn diese zum Teil über die Benutzung von Wortmarken und über das Renommee einer wissenschaftlichen Institution zustande kommen.
Der zweite Aspekt, der viel weitreichender wirkt, ist das Einspannen von verbeamteten Professor*innen für das Lobbyieren eines Konzerns. Werden wissenschaftliche Studien von vornherein so designt, dass sie ein bestimmtes Ergebnis liefern oder dem Auftraggeber die Möglichkeit gegeben, Inhalte darin nach eigenem Interesse zu verändern, ist dies keine gute Wissenschaft. Und wirft erst recht ein schlechtes Licht auf die Universität, die die verantwortlichen Wissenschaftler*innen beschäftigt. Oder wie es in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 11. Juni 2022 heißt:
Auftragsstudien gibt es in der akademischen Landschaft zwar häufig, und in diesem Fall war die Studie auch als „im Auftrag von Uber“ gekennzeichnet. Heikel sind sie dann, wenn es sich um Gefälligkeitsarbeiten handelt, bei denen das Ergebnis im Vorhinein feststeht. In diesem Fall hat Uber offensichtlich versucht, seine Kampagne mit wohlwollender ökonomischer Expertise zu stärken.
(Diesteldorf, et al.: „Wer schreibt, der bleibt.“, In: „Süddeutsche Zeitung.“, Nr. 157, 11. Juli 2022, S. 18)
Wir fordern daher:
Die Juso Hochschulgruppe fordert darüber hinaus: